Bittere Pille für die Offshore-Windbranche
Zahlreiche Entwickler von Offshore-Windparks haben nach
Informationen von NDR Info im vergangenen Monat unangenehme Behördenpost
erhalten. In den kommenden Jahren werden küstenferne Windpark-Projekte
demnach wohl nicht mehr genehmigt. Auch zahlreichen bereits lange
geplanten Projekten droht das Aus, wie aus dem Schreiben des Bundesamtes
für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hervorgeht. Grund dafür ist
die jüngste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).
Jens Assheuer ist die Enttäuschung anzumerken. Als Geschäftsführer der Firma WindMW
betreut er seit Jahren das Windpark-Projekt "Nördlicher Grund". 80
Kilometer vor Sylt sollen bald 64 Windräder Strom liefern. Alle
Genehmigungen liegen vor, sogar die Verträge über die Lieferung der
Turbinen und die Installation der Anlage sind bereits unterzeichnet. "Da
ist sicherlich viel Arbeit reingeflossen und viel Herzblut", sagte
Assheuer. Insofern sei es für die Mitarbeiter schmerzhaft, wenn man
jetzt sehe, dass das Projekt nicht umgesetzt wird. Und auch die
Investoren seien alles andere als glücklich mit der Situation: "Wir
reden immerhin über einen zweistelligen Millionenbetrag, der bereits
investiert wurde."
Offshore-Deckel macht der Branche zu schaffen
Vielen Offshore-Projekten droht das Aus
Zahlreiche Entwickler von küstenfernen Offshore-Windparks haben
unangenehme Behördenpost erhalten. Dutzende Windpark-Projekte haben
keine Chance auf einen Netzanschluss.
Das Problem: Die Bundesnetzagentur
wird den Park in den kommenden 15 Jahren wohl nicht ans Netz
anschließen. Verantwortlich dafür ist die Novelle des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Im vergangenen Sommer hat die
Bundesregierung beschlossen, den Ausbau der Offshore-Windkraft massiv zu
deckeln. Bis 2020 sollen nicht mehr zehn, sondern nur noch 6,5 Gigawatt
Leistung offshore gebaut werden. Das entspricht etwa der Leistung von
sechs Atomkraftwerken. Bis 2030 sollen dann 15 Gigawatt installiert
sein. Auf diese Weise will Berlin verhindern, dass die Strompreise
weiter steigen.
Projekte müssen sich seither daran messen lassen, wie weit sie von
der Küste entfernt liegen. Zudem muss gewährleistet sein, dass sich
Windparks sinnvoll an eine Stromsammelstation, einen sogenannten
Konverter anschließen lassen. Der Konverter, der am "Nördlichen Grund"
liegt, ist bereits ausgelastet. Eine weitere Station wird nicht gebaut.
Das Projekt droht deshalb zu scheitern.
Küstenferne Windparks werden nicht mehr genehmigt
WindMW-Geschäftsführer Assheuer ist in seiner Branche nicht der
Einzige, der derzeit kräftig schlucken muss. Im März hat das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH)
Post an Dutzende Windpark-Entwickler verschickt. In dem Schreiben, das
NDR Info vorliegt, informiert das BSH darüber, dass die Projekte in den
sogenannten Zonen 3, 4, und 5 bis auf Weiteres auf Eis liegen. Es
handelt sich dabei um etwa 40 geplante Parks, die in der Regel mehr als
100 Kilometer von der Küste entfernt liegen.
Für sie werde bis auf Weiteres kein Planfeststellungsverfahren
durchgeführt, insbesondere sollen keine Antragskonferenzen und
Erörterungstermine durchgeführt werden. Eine "kostenpflichtige
ablehnende Entscheidung in laufenden Verfahren" behält sich das BSH
ausdrücklich vor. Obwohl diese Projekte, die unterschiedlichen Trägern
gehören, bislang noch nicht so weit entwickelt sind wie etwa Assheuers
"Nördlicher Grund", dürften bis heute mehr als 100 Millionen Euro
investiert worden sein.
Dutzenden Projekten droht das Aus
Die Rechnung des BSH und der Bundesnetzagentur
ist dabei relativ einfach: Noch in diesem Jahr werden auf Nord- und
Ostsee wohl insgesamt drei Gigawatt Leistung installiert sein. Nimmt
man die küstennahen Projekte in Nord- und Ostsee und im Küstenmeer
zusammen, lässt sich die politische Vorgabe von 15 Gigawatt bis zum Jahr
2030 bereits jetzt erreichen. Dass Offshore-Windparks
weit draußen in der Nordsee jemals umgesetzt werden, erscheint daher
kaum noch wahrscheinlich. "Bei sehr großer Küstenentfernung wird man
auch mit Blick auf die volkswirtschaftlichen Kosten der Netzanbindung
sagen müssen, dass diese Projekte nach jetziger Sicht
energiewirtschaftlich nicht wünschenswert sind", erklärt Nico Nolte vom
BSH.
Den Projekten, die in den Zonen 3, 4 und 5 liegen, droht somit
faktisch das Aus. Inwiefern Unternehmer Windpark-Projekte nun unter
Umständen ganz aufgeben werden, ist unklar. Es sei jetzt an den
Antragstellern zu überlegen, wie sie mit der veränderten Situation
umgehen wollen, so Nolte.
Branche will Druck auf Politik machen
Bislang reagierte die Offshore-Branche abwartend auf die
EEG-Novelle und die Ankündigung des BSH. Doch das könnte sich jetzt
ändern. Ursula Prall vom Offshore Forum Windenergie
will den zuständigen Behörden und vor allem dem Ministerium für
Wirtschaft und Energie die Nachteile der Offshore-Deckelung deutlich
machen. "Das hat ja auch für die Zulieferer-Industrie ganz enorme
Konsequenzen", sagt Prall. Es bleibe auch deshalb zu hoffen, dass die
politische Deckelung in den kommenden Jahren noch einmal überdacht wird.
Das wird aber wohl nur gelingen, wenn Strom aus Offshore-Windkraft
künftig deutlich billiger wird. Nach Informationen von NDR Info denken
einige Unternehmen auch darüber nach, im Einzelfall gegen einen
negativen Bescheid des BSH zu klagen. Ob sich auf diesem Weg eine
Genehmigung für Windparks juristisch erzwingen lässt, steht allerdings
in den Sternen.
Assheuer und sein Unternehmen Wind MW wollen indes am Windpark
"Nördlicher Grund" festhalten. Sie hoffen darauf, dass es in einigen
Jahren doch noch einen Netzanschluss erhalten wird. Gleichwohl schaut
sich der Diplomingenieur bereits jetzt nach einem neuen Windpark-Projekt
um. Es soll küstennah liegen und bereits über die Zusage einer
Netzanbindung verfügen. Sicher ist sicher.
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