Die spätere muss auf die frühere Rücksicht nehmen
18. September 2018
Das Oberverwaltungsgericht hat mit zwei Urteilen vom heutigen Tag über eine Konkurrenzsituation zwischen Betreibern von zwei Windenergieanlagen in Bad Wünnenberg entschieden und demjenigen Betreiber Recht gegeben, der zuerst seine Unterlagen in einem prüfungsfähigen Zustand vorgelegt hatte.
Die beiden rund 180 m hohen Windenergieanlagen liegen nur ca. 207 m auseinander. Eine der beiden Anlagen muss bei bestimmten Windrichtungen abgeschaltet werden, weil sonst durch Turbulenzen die Standsicherheit beeinträchtigt wird. Die beiden Betreiber streiten mit der Behörde darum, welche Anlage zeitweise abzuschalten ist. Das Oberverwaltungsgericht hat die Urteile des Verwaltungsgerichts Minden bestätigt, die der Windenergieanlage der Kläger den Vorrang zuerkannten.
Der Vorsitzende des 8. Senats hat in der mündlichen Verhandlung zur Begründung ausgeführt: Die Reihenfolge konkurrierender Anträge beurteile sich grundsätzlich nach dem sogenannten Prioritätsprinzip („Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“). Maßgeblich hierfür sei nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, der Entscheidungsreife, der Genehmigungserteilung oder der Errichtung der Anlage; entscheidend sei vielmehr der Zeitpunkt der Einreichung eines prüffähigen Antrages. Hierdurch werde gewährleistet, dass es in der Hand des Vorhabenträgers liege, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt er den Aufwand für die Erstellung der erforderlichen Unterlagen (insbesondere Einholung entsprechender Gutachten) betreibe. Zugleich sei gewährleistet, dass weder eine bloße Antragstellung ohne ausreichende Unterlagen („pro forma“) genüge noch der Vorrang von behördlichen Handlungen oder der Mitwirkung anderer Betroffener abhängig sei. Dies gelte auch für das Konkurrenzverhältnis zwischen einem immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids- zu einem Genehmigungsantrag. Ein Vorbescheid, mit dem vorab das Vorliegen bestimmter Genehmigungsvoraussetzungen festgestellt wird, stelle zwar nur einen Ausschnitt aus der späteren Genehmigung dar. Hierauf sei die Prüfung beim immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid allerdings nicht beschränkt, weil anhand der vollständigen Unterlagen feststehen müsse, dass die gesamte Anlage am vorgesehenen Standort mit hinreichender Wahrscheinlichkeit genehmigt werden könne. Dies reiche für eine Rangsicherung aus. Hiervon ausgehend sei der Genehmigungsantrag der Beigeladenen nachrangig, weil sie im Hinblick auf den Artenschutz – hier des Schutzes von Rotmilan und Fledermäusen – erst später als die Kläger prüffähige Unterlagen vorgelegt hätte.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 8 A 1884/16 und 8 A 1886/16 (VG Minden 11 K 494/14 und 11 K 544/14)