VERNUNFTKRAFT NRW e.V. Landesverband der Bürgerinitiativen für eine vernünftige Energiepolitik
Der Gedanke, Hochleistungsrechner in Windrädern zu installieren, ist nicht neu. Bereits im
Februar 2021 betrieb der TV-Streaming Anbieter Zattoo seine Dienste in einem Windrad
von Westfalen Wind in Asseln. Das „Green-IT-Projekt“ hieß „Windcores“. Doch wie sinnvoll
ist es eigentlich, Rechner in Windrädern zu installieren und was soll daran „Green“ sein,
wenn die just im Kopf des Windrades gewonnene Energie aus der Natur im Fuße desselben
sofort wieder verbraucht wird? Hier obendrein für einen mehr als fragwürdigen Zweck,
nämlich „TV-Streaming“, reine Unterhaltung also.
Es wäre wohl besser, die Menschheit
würde an dieser Stelle erst einmal Verzicht üben und dadurch Energie einsparen. Aber die
IT kann auch anders, ist heutzutage nicht mehr wegzudenken und die Digitalisierung
schreitet weiter voran. Jetzt fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) ein Projekt mit rund 2,5 Millionen Euro, das High-Performance Computing (HPC) in
Windrädern erforschen soll.
Ein Windrad ist ein vom Wind abhängiger, also stark schwankender Stromerzeuger, und ein
Supercomputer bzw. eine Serverfarm ist ein Großverbraucher, der 24/7 unterbrechungsfrei
Strom benötigt. Der Ansatz, den man für private Haushalte durch die Verpflichtung zu
digitalen Zählern jüngst beschlossen hat, nämlich die Energie dann zu verbrauchen, wenn
viel da ist (wenn es windig ist) und umgekehrt, funktioniert daher gerade bei Rechenzentren
nicht, sonst würde z.B. der TV-Stream mitten im Fußballspiel abbrechen. Was also hat man
davon, wenn man diese beiden räumlich kombiniert?
Man nutzt lediglich das Volumen im
Turm eines Windrades als Bauraum für Rechenzentren. Zu den nicht seltenen Zeiten
geringen Windes muss der Strom dann sowieso aus dem Netz zufließen, z.B. in Form von
Atomstrom aus Frankreich. Dasselbe geschieht traurigerweise übrigens seit eh und je auch
für den Eigenverbrauch eines jeden Windrades (ca. 40.000 kWh pro Jahr), vor allem bei
Flaute. Die Tatsache, dass das Projekt auf die Vernetzung mehrerer mit Computern
bestückter Windräder abzielt und dadurch „die schwankende Energieverfügbarkeit optimal
ausreizen“ will, legt die Unkenntnis offen, dass der Wind ein weiträumiges Naturphänomen
ist, das alle Windräder einer weiten Region völlig synchron betrifft. Da gibt es nichts
auszureizen!
Im Fuße des Windrades wird die schöne grüne Energie dann durch den Supercomputer
direkt verheizt, also in Wärme umgewandelt. Wo bleibt diese Wärme? Sie scheint ja keinen
Nutzen abzubringen, sondern ist sogar ein „limitierender Faktor“, wie es in der Presse hieß.
Wenn die Wärme ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben wird, dann tragen Windräder
noch mehr zur Erderwärmung bei, als sie es sowieso schon tun. Warum lässt man den
Supercomputer dann nicht einfach im Rechenzentrum, wo es bereits Konzepte und
Realisierungen für die Nutzung der Abwärme durch Einspeisung in Fernwärmenetze gibt?
https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/energie/abwaerme-aus-rechenzentren-sinnvoll-nutzen/
Der Betreiber eines solchen Supercomputers muss sich außerdem Gedanken machen, wie
sicher seine teure und empfindliche Hardware im Windrad ist, wenn 160 Meter über ihr in
einer tonnenschweren Gondel ein Stromgenerator installiert ist, in dessen Getrieben sich
mehrere hundert Liter Öl befinden, die gern mal unlöschbar abbrennen, und an der drei 80
Meter lange Rotoren befestigt sind, die für reichlich mechanische Schwingungen im
Gesamtaufbau sorgen.
Es sind Floskeln zu behaupten, ein solches Projekt „adressiere im besonderen Maße die
Herausforderungen der Energiewende und Digitalisierung“ oder „Wir wollen zeigen, dass
der steigende Energiebedarf der Digitalisierung keine Sackgasse für mehr Nachhaltigkeit
bildet und dass diese Wachstumsbedarfe auch zeitlich und räumlich flexibel durch
regenerative Energien abgedeckt werden können“. Glaubt man diesen Aussagen, dann
erschließt sich daraus immer noch nicht der Vorteil der Symbiose aus Windrad und
Rechner, aus Erzeuger und Verbraucher also. Man kaschiert hiermit den in jeder Hinsicht
sinnvolleren Ausbau der Netze, die derzeit schnell an ihr Limit kommen und die produzierte
Energie oft nicht aufnehmen können sowie unser Unvermögen, elektrische Energie in dem
für eine sinnvolle Nutzung der volatilen Erneuerbaren Energien nötigen, sehr großen
Umfang zu speichern bzw. zu puffern.
Fazit: es kann sich hier nur um eine Werbekampagne für die Windkraft handeln, die der
Bund mit 2,5 Millionen Euro subventioniert, wie es bei der Windkraft ja sowieso in jeder
Hinsicht üblich ist. Der angesprochene „Wirtschaftliche Erfolg der Verschmelzung einer
WEA mit einem Rechenzentrum“ ist übrigens in keinster Weise ein Maßstab für positive
Effekte wie Nachhaltigkeit und Klimaneutralität – ganz im Gegenteil, beflügelt durch die
Motivation eines finanziellen Gewinns lässt sich alles machen, auch wenn es technisch oder
ökologisch keinen Sinn macht.
Bezug:
„Windenergie für Supercomputer“ v. 17.04.23 / NW Lokalteil
„Rechenleistung aus dem Windrad“ v. 23.03.23 / WV Lokalteil
„Aus dem Windrad in die weite Welt“ v. 01.02.21 / WV Lokalteil
Mit freundlichen Grüßen
VERNUNFTKRAFT NRW e.V.
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