Donnerstag, 17. Dezember 2020

Energiepolitische Realitätsverweigerung (Leserbrief F.A.Z. 17.12.2020)

 Energiepolitische Realitätsverweigerung
Im Wirtschaftsteil der F.A.Z. berichten Sie, dass die Grünen-Che-
fin Annalena Baerbock gegenüber Wirtschaftsminister Peter
Altmaier (CDU) wegen dessen Energiepolitik Vorwürfe erhebt
(„Das ist Realitätsverweigerung“, F.A.Z. vom 3. November). Das
fordert mich zu einer Stellungnahme heraus: Realitätsverweige-
rung ist in Bezug auf die Energiefrage nicht nur beim Wirt-
schaftsminister, sondern in weiten Bereichen von Politik,
Medien, Gesellschaft und auch Teilen der Wirtschaft gegeben.
Zur Begründung seien vier naturgegebene Eigenschaften der
Windkraft angeführt: Erstens geht die Windgeschwindigkeit in
der dritten Potenz in die Leistungsdichte des Windes ein, was bei
der Stromherstellung hohe Ausschläge nach oben wie nach unten
zur Folge hat. Verdoppelung der Windgeschwindigkeit heißt
achtfache Leistungsdichte, Halbierung ergibt nur noch ein
Achtel. Zweitens gibt es in Europa eine hohe Korrelation des
Windaufkommens: Schwach- und Starkwindphasen sind mit ho-
her Wahrscheinlichkeit nicht lokal, sondern großflächig auftre-
tende Ereignisse, wie eine statistische Auswertung zeigt.
Diese beiden Eigenschaften haben zur Folge, dass bereits geringe
Schwankungen in der Windgeschwindigkeit gezwungenermaßen
zu Mangel und Überangebot führen. Zugespitzt ausgedrückt kön-
nen die Anlagen entweder nicht liefern, oder sie machen sich
gegenseitig Konkurrenz. Das zeigen die Erzeugerdaten in Gegen-
überstellung zur Nachfrage Tag für Tag. Drittens ist das Windauf-
kommen statistisch betrachtet vollkommen unabhängig von der
Nachfrage nach Strom. Das führt neben den hohen Angebots-
schwankungen zu heftigen und irrealen Preisausschlägen an der
Strombörse. Schließlich gibt es, viertens, generell eine geringe
Leistungsdichte des Windes. Diese führt letztlich zu geringen
Energieerntefaktoren weit unter der wirtschaftlich sinnvollen
Schwelle. Der Zubau von Windkraftanlagen führt zur Verstär-
kung der genannten Effekte von Mangel und Überangebot. Hier
helfen auch Speicher nichts, zudem diese weder in technischer
noch wirtschaftlicher Hinsicht in Sicht sind.
Alle aufgeführten Eigenschaften unterliegen naturgegebenen und
damit unveränderbaren Gesetzmäßigkeiten und lassen bei ratio-
naler Betrachtung nur einen Schluss zu: Windkraftanlagen sind
für die flächendeckende Stromversorgung unwirtschaftlich und
unbrauchbar. Wäre dem nicht so, brauchte es keine Subvention
nach dem EEG, mit deren Hilfe sich Windindustrie und Investo-
ren seit 20 Jahren risikolos auf Kosten der Allgemeinheit berei-
chern. Im Entwurf der aktuellen EEG-Gesetzesnovelle einleitend
zu behaupten, dass der Ausbau von Windkraft dem öffentlichen
Interesse und der öffentlichen Sicherheit dient, ist allein schon
aus den vier oben genannten Eigenschaften ebenso dreist wie
falsch. Das Bedrückendste daran ist, wie beharrlich Politik und
Medien einfachste physikalische und wirtschaftliche Zusammen-
hänge ignorieren und das Land in existentielle Nöte führen. Die
Fortsetzung dieser Realitätsverweigerung kann nur im Scheitern
enden, was mit wirtschaftlicher Bedeutungslosigkeit, massivem
Wohlstandsverlust und steigenden sozialen Spannungen verbun-
den sein wird.
Michael Saier, Freiburg

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