Montag, 24. August 2015

Gemeinsamkeit von WKAs und ägyptischen Pyramiden

Wolfgang Prabel, Ingenieur
Planwirtschaft wie beim Pharao
Die deutschen Windkraftanlagen und die ägyptischen Pyramiden haben einiges gemein. Zum Beispiel die Höhe.  Aber auch die gigantische Verschwendung von Ressourcen beim Bau.
Pyramiden und Windkraftanlagen dienten oder dienen der baulichen Verkörperung einer religiösen Überzeugung. Die Pharaonen glaubten mit Hilfe der  Pyramiden in den Himmel fahren zu können und ewig zu leben. Bundeskanzler Angela Merkel glaubt mit Windmühlen das Weltklima zu retten. Beide Überzeugungen halten einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht stand.
Gemeinsam ist Pyramiden und Windkraftanlagen  auch der Gigantismus und die menschliche Hybris. An der Cheops-Pyramide mußten etwa 10.000 Leute 20 Jahre lang sechs Tage in der Woche arbeiten, Wenn wir den heutigen Mindestlohn von 8,50 € ansetzen, sind 0,68 Mio € am Tag verbaut worden, und das 6.240 Tage lang. Macht 4,2 Milliarden € für eine Pyramide. Davon wurden im Alten Reich mehrere gebaut mit dem Ergebnis, daß das Reich zerfiel. Die genaueren Umstände sind unbekannt, wir dürfen jedoch vermuten, daß der immense Aufwand des Pyramidenbaus das Land schwer belastet hat. Deutschland wird durch die Windkraftbauten auf Dauer genauso ruiniert werden.
Die größte Pyramide in Giseh war 146 m hoch. Das ist für viele Windkraftanlagen (WKA) heute gerade mal die Nabenhöhe.
Der Gigantismus in Zahlen: In den 1990er Jahren übertraf der Rotordurchmesser der Windkraftanlagen selten 50 Meter. 2014 betrug  der durchschnittliche Rotordurchmesser schon 99 m und die durchschnittliche Nabenhöhe 116 m. Die größten Rotoren von WKA haben inzwischen bis 170 m Durchmesser, was fast dem Aufstandsmaß der Cheops-Pyramide entspricht.
Eine der heutigen Serienanlagen ist die E-126 mit einer Nabenhöhe von 135 m auf einem Stahlbetonturm mit 2.800 t Gewicht. Der Durchmesser des Turms beträgt am Schaft 16,5 m, die Gesamthöhe fast 200 m. Nabe und Flügel wiegen noch einmal 320 Tonnen und das Fundament 3.500 Tonnen. Kostenpunkt nach Angabe des Herstellers: 11 Millionen Euro. Die Anlage produziert nach Herstellerangabe zwischen 15-18 Mio. kWh Energie pro Jahr.
Auf Wikipedia haben selbsternannte Experten die Energierücklaufzeit (energetische Amortisationszeit) berechnet. Diese Größe beschreibt die Zeit, die vergeht, bis ein Kraftwerk genauso viel Energie erzeugt hat, wie zu dessen Produktion, Transport, Errichtung, Betrieb usw. benötigt wurde. Die Energierücklaufzeit betrüge bei Windkraftanlagen etwa drei bis sieben Monate und läge auch nach konservativen Schätzungen deutlich unter einem Jahr, so die Wiki-Autoren.
In Stahl sind 3,6 kWh/kg Primärenergie enthalten, in hocharmiertem Stahlbeton etwa 1 kWh/kg. Bei der Herstellung von 3.120 t Stahl sind also 3.120.000 kg x 3,6 kWh = 11,2 Mio kWh verbraucht worden, für das Fundament noch einmal 3,5 Mio kg x 1 kWh = 3,5 Mio kWh. Die Montage und der Transport zum Bauplatz sind darin nicht enthalten. Auch der Energieaufwand für 20 Jahre Instandhaltung und Wartung nicht. Der Aufwand für die Elektroausrüstung einschließlich der Kupferkabel und ggf. von neodymhaltigen Magneten blieb ebenfalls unberücksichtigt. Zusammen also 14,7 Mio kWh nur für Stahl und Stahlbeton. Zur Erinnerung die jährliche Energieausbeute betrug 15 bis 18 Mio kWh. Mit einem stark verkürzten Aufwand sind die Wikipedia-Autoren offensichtlich in den Vergleich gegangen und haben ihre olympisch schnelle Energierücklaufzeit errechnet.  Wikipedia muß bei manchen Einträgen darum kämpfen nicht zu Wikilügi zu werden.
Was ist nun wirklich los? Nehmen wir mal an, daß die Herstellerangabe zur Energieausbeute von bis zu 18 Mio. kWh jährlich stimmt. Multipliziert mit dem Preis einer kWh für den Privatkunden ergibt sich ein Erlös von 18 Mio. kWh x 0,30 € /kWh = 5,4 Mio €. In zwei Jahren hätte die Anlage ihr Geld verdient (11 Mio / 5,4 Mio = 2), so der erste Überschlag - eine Milchmädchenrechnung.
Wie kann es kommen, daß die Energierücklaufzeit weniger als ein Jahr dauert, die wirtschaftliche Amortisation zwei Jahre? Das ist in einer Marktwirtschaft ungewöhnlich, weil Energieaufwand und Kosten wie siamesische Zwillinge miteinander verwachsen sind. Aber wir leben ja in einer ausgeprägten Planwirtschaft. Wenn der Energiepreis extrem manipuliert wird, fallen Energierücklaufzeit und Amortisation stark auseinander.
Wir werden sehen, daß auch zwei Jahre nicht ausreichen, um die Anlage zu amortisieren. Es ist nämlich falsch, nur die Herstellungskosten zu berücksichtigen. Berthold Hahn vom Institut für Solare Energieversorgungstechnik in Kassel hat ausgerechnet, daß die Instandhaltungskosten bis zu einem Drittel der Kosten der erstmaligen Herstellung betragen. Zu den 11 Millionen müssen wir deshalb konservativ geschätzt 3 Millionen € hinzurechnen, so daß die Bauwerkskosten über die Lebenszykluszeit 14 Millionen betragen. Darin enthalten sind noch keine Finanzierungskosten von Krediten und keine Nutzungsentgelte für Land- und Forstwirte. Auch keine Kosten für Verwaltung und den Anlagenwart, wie Berthold Hahn schreibt. Wenn man 14 Mio. € durch den jährlichen Ertrag von 5,4 Mio. € teilt, so ergeben sich bereits 2,6 Jahre Amortisationszeit.
Nun sind die 30 Cent pro kWh natürlich ein fehlerhafter Ansatz für den Energiepreis, weil darin mehr als 50 % Steuern und Umlagen enthalten sind und weil er aus einem unwirtschaftlichen und nicht marktgerechten vom Staat willkürlich festgelegten Strommix entsteht. Marktgerecht ist nur der billigste Strom und das ist Kohlestrom. Ohne Zwang könnte man in einer Marktwirtschaft nämlich nur den billigsten Strom verkaufen. Von ein paar Grünen, die aus religiösen Überzeugungen Ökostrom kaufen, einmal abgesehen. Kohlestrom kostet weniger als 4 Cent pro kWh. Also noch einmal gerechnet:
18 Mio. kWh x 0,04 € /kWh = 0,72 Mio €.  Da braucht es 19 Jahre, um die Anlagekosten der WKA E-126 zu erwirtschaften. Zum Vergleich: Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von WKA in den AfA-Tabellen des Bundesministeriums der Finanzen beträgt 16 Jahre.
Wieviel Windstrom zur Unzeit anfällt, weiß keiner ganz genau. Am 30.03.2015 sind sturmbedingt von 0 bis 5 Uhr 160.000 MWh (das sind 160 Millionen kWh) Windenergie erzeugt worden sind, die den Energiepreis auf bis zu minus 20 € pro MWh gedrückt haben, weil fast niemand den Strom zur Unzeit brauchen konnte. Der Energie mußten noch 2,69 Mio € hinterhergeworfen werden, daß sich freundlicherweise Verbraucher fanden. Das muß doch auch eingepreist werden?
Wenn man mal annimmt, daß 10 % des Windstroms im wirtschaftlichen Sinn Müllstrom sind, so reduziert sich der Wert der Windenergie noch einmal.
18 Mio. kWh x 0,04 € /kWh = 0,72 Mio € x 0,9 = 0,65 Mio €. Da braucht es 21,5 Jahre, um die Anlagenkosten zu erwirtschaften. Für 20 Jahre sind die Anlagen von den Herstellern in der Regel konzipiert.
Zugegeben, das sind alles Überschläge. Keine der Zahlen, von den Herstellungskosten und der Energieausbeute angefangen ist auf Steintafeln gemeißelt. Über alle Ansätze darf und sollte man auch streiten. Es ist angesichts der entstehenden Kosten für den Windstrom und die Netze jedoch höchste Zeit zu streiten und zu hinterfragen.  Denn Wissenschaft ist systematisches Erkennen und nicht systematischer Selbstbetrug.

Montag, 17. August 2015

Energiewende tötet Deutschlands heimliches Wappentier

DIE WELT Die Greifvogelart Rotmilan nistet vor allem in Deutschland. Seit es immer mehr Windräder gibt, ist sie vom Aussterben bedroht. Baden-Württemberg versucht das Dilemma mit enormem Aufwand zu lösen.

Von Daniel Wetzel Wirtschaftsredakteur
Daniel Wetzel
Deutschland ist Hauptverbreitungsgebiet des Rotmilans. Doch immer mehr dieser seltenen Greifvögel werden von Windkraftanlagen erschlagen. Die von Vogelschützern geforderten Mindestabstände zwischen Vogelhorst und Rotorturm werden von den Bundesländern bislang nicht eingehalten
Deutschland ist Hauptverbreitungsgebiet des Rotmilans. Doch immer mehr dieser seltenen Greifvögel werden von Windkraftanlagen erschlagen. Die von Vogelschützern geforderten Mindestabstände zwischen Vogelhorst und Rotorturm werden von den Bundesländern bislang nicht eingehalten.

In Berlin ist der Rotmilan jetzt ausgerottet. Im Ortsteil Pankow hatte noch ein Paar genistet, das ist jetzt weg. Wurden die Greifvögel Schlagopfer der ersten Berliner Windkraftanlage, die sich seit ein paar Jahren am nördlichen Stadtrand dreht? Andre Hallau will darüber nicht spekulieren.

Hallau, der die Berliner Wildvogelstation des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) leitet, hat inzwischen eine gewisse Übung im Aufpäppeln verletzter Rotmilane. Immer öfter finden Spaziergänger im Brandenburger Umland die Tiere mit gebrochenen Knochen am Boden. Die werden dann meist von der Kleintierklinik der Freien Universität zusammengeflickt und zur Rekonvaleszenz in die Nabu-Station nach Berlin-Marzahn gebracht. Hallau machen aber auch die gesunden Tiere sofort wieder Probleme.

Naturschützer bezeichnen die Lage als dramatisch

Denn der Vogelschützer weiß kaum noch, wo er die Greifvögel nach ihrer Genesung auswildern soll. Mitte Juni hatte er ein Tier auf einer freien Fläche bei Hönow in die Freiheit entlassen. Doch nur in fünf Kilometer Entfernung drehten sich Rotoren mit Carbonfaser-Flügeln, die härter sind als jede gefiederte Schwinge. "Wenn das Land Brandenburg die Zahl der Windräder wie geplant verdoppelt, droht dem Rotmilan hier das Aus", glaubt Naturschützer Hallau. "Die Lage ist ja jetzt schon dramatisch."

Dass Vögel sterben, weil sie dem Menschen zu nahe kommen, ist Alltag. Sie donnern gegen Fensterscheiben oder Autos, futtern zu viele Umweltgifte oder überleben die Begegnung mit einer Stromleitung nicht.

    Der Rotmilan ist Deutschlands heimliches Wappentier

Fritz Vahrenholt
Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung

Aber der Rotmilan ist nicht irgendein Vogel. Und er gerät nicht mit irgendeiner Zivilisationserscheinung in Konflikt – sondern ausgerechnet mit dem Megaprojekt, das vielen Umweltschützern mindestens so sehr am Herzen liegt wie der Artenschutz: die Energiewende. Besonders deutlich tritt das Dilemma im grün regierten Baden-Württemberg zutage. Und weil einfache Lösungen nicht in Sicht sind, behilft man sich mit bizarr anmutender Umweltbürokratie.

Zwischen 10.000 und 14.000 Brutpaare nisten in Deutschland – das ist der Hauptteil des globalen Bestandes. "Mehr als die Hälfte aller Rotmilane weltweit brütet in Deutschland", mahnt der Dachverband Deutscher Avifaunisten: "Für den Schutz dieser Vogelart tragen wir daher international eine besonders große Verantwortung." Fritz Vahrenholt, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung und früherer Umweltsenator Hamburgs, hält den Vogel aus demselben Grund sogar für deutscher als den Bundesadler: "Der Rotmilan ist Deutschlands heimliches Wappentier."

Mehr Windkraftanlagen bedeuten mehr tote geschützte Vögel

Eigentlich müsste der Schutz des Rotmilans also ganz nach dem Geschmack hiesiger Umweltpolitiker sein: Hier hat der Öko-Musterschüler Deutschland die Gelegenheit sein ganzes Können und Wollen unter Beweis zu stellen. Doch da gibt es eben ein Problem: "Der Rotmilan", klagt Wildtierschützer Vahrenholt, "ist nicht ganz kompatibel mit der Windenergie."

Und das bringt ausgerechnet das einzige grün regierte Bundesland, das die Energiewende nun scharf vorantreiben will, in ein ganz besonderes Dilemma. Baden-Württemberg kommt auf gerade einmal 400 Windkraftanlagen und hält damit zusammen mit dem Saarland die rote Laterne unter den Flächenländern. Das ist eine Peinlichkeit, die man in der Stuttgarter Staatskanzlei gern abgestellt sähe. Eine zahlenmäßige Verdreifachung der Windmühlen auf rund 1200 bis zum Jahre 2020 hatte Franz Untersteller, Baden-Württembergs Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, nach seinem Amtsantritt ins Aussicht gestellt. Doch mehr Windkraftanlagen bedeuten immer auch mehr tote Rotmilane.

Der Rotmilan lässt sich anders als andere Vögel nicht von Windkraftanlagen verscheuchen. Gerade auf den Wiesen rund um die Stahltürme kann er leicht Beutetiere wie Mäuse und Feldhamster ausmachen. Auch liegt hier manch tote Fledermaus am Boden, der aufgrund der Verwirbelungen hinter den Rotorblättern die Lungen geplatzt sind. Solche Leckereien fest im Blick merken die Rotmilane oft nicht, wenn über ihnen mit mehreren Hundert Kilometern pro Stunde die nächste Rotorblattspitze heranpfeift.

Dunkelziffer getöteter Tiere liegt möglicherweise noch höher

Die Folgen können in den Statistiken der Vogelschutzwarten besichtigt werden: Seit Beginn der 90er-Jahre hat der Bestand des Rotmilans schon um ein Drittel abgenommen. Eine Mitschuld tragen natürlich Pflanzengifte, die Umwandlung von Grünland in Monokulturen für Energiepflanzen und die allgemeine zivilisatorische Verdichtung der ländlichen Räume durch Infrastruktur aller Art.

Doch inzwischen gehört der Rotmilan auch "absolut und auf den Brutbestand bezogen zu den häufigsten Kollisionsopfern an Windenergieanlagen", heißt es in einem Gutachten der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten. So lasse sich nach Zählungen in Brandenburg schätzen, dass es bei 3044 Windkraftanlagen zu 308 Kollisionen mit Rotmilanen gekommen war. "Allein die Verluste durch Windkraftanlagen liegen hier im Grenzbereich einer Populationsgefährdung", heißt es im "Neuen Helgoländer Papier" der Vogelschützer.

    Die Lage ist ja jetzt schon dramatisch.

Andre Hallau
Leiter Berliner Wildvogelstation des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu)

Die Dunkelziffer könnte noch weit höher liegen. Denn alle Schätzungen sind extrem schwierig: Liegt ein Rotmilan tot oder verletzt am Boden, holt ihn bald der Fuchs. Was noch hinzukommt: Die Betreiber und Servicekräfte von Windparks wissen, dass sie einen potenziell jobgefährdenden Feind ihrer Branche vor sich haben, wenn sie einen toten Rotmilan in der Nähe ihrer Rotortürme finden. Nicht selten dürfte der gefiederte Kadaver dann nicht gemeldet, sondern still und heimlich entsorgt oder verbuddelt werden.

Weil das so ist, hat die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten auf einer Tagung auf der Nordseeinsel Helgoland Mindestabstände festgelegt, die zwischen den Brutplätzen verschiedener bedrohter Vogelarten und Windkraftanlagen gelten sollten. Als diese Vorschläge Mitte April als sogenanntes Neues Helgoländer Papier veröffentlicht wurden, machte sich in der Windkraftbranche umgehend Nervosität breit. Denn nach den Vorgaben der staatlich anerkannten Vogelschützer sollte um die Nester von Rotmilanen ein Radius von 1500 Metern frei von Windenergieanlagen bleiben.

Das bringt die Branche in Baden-Württemberg auf die Barrikaden. "Wir befürchten einen schweren Rückschlag für den weiteren Ausbau in Baden-Württemberg", erklärte der Vorsitzende des Landesverbandes Windenergie im Südwesten, Walter Witzel. Es stelle sich die Frage, "ob das Ausbauziel der Landesregierung noch erreichbar ist". Windkraft oder Vogelschutz: Für Baden-Württembergs Energiewende-Minister Untersteller ein ständiger Drahtseilakt. Denn einerseits ist er für den Schutz von rund zehn Prozent der Rotmilan-Weltpopulation zuständig. Andererseits ist Untersteller der Mann, der für seinen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann die Energiewende im Ländle vorantreiben soll.

Passiert ist lange Zeit wenig. "Flauten-Franz" wurde der Minister von der FDP-Opposition im Landtag schon genannt. Und ausgerechnet jetzt, wo sich die Bauanträge für Windkraftanlagen im Jahresverlauf endlich fast verzehnfacht haben und der Durchbruch zur Energiewende auch im Südwesten in greifbarer Nähe scheint, kommen die Vogelschützer um die Ecke und fordern Mindestabstände.

Baden-Württemberg will Mindestabstände nicht einhalten

Gefangen in der Zwickmühle zwischen Vogelschutz und Energiewende versuchte es die Landesregierung nun mit einem höchst eigenwilligen Befreiungsschlag, wie der CDU-Landtagsabgeordnete Paul Nemeth als Erster feststellte. Nemeth fragte bereits im April bei der Landesregierung an, ob sie denn den von den im Helgoländer Papier geforderten Mindestabstand von 1500 Metern einzuhalten gedenke. Nein, antwortete die Landesregierung sinngemäß. Begründung: In Baden-Württemberg flögen die Rotmilane nicht so weit. Anders als in anderen Bundesländern reiche hier ein Mindestabstand von nur 1000 Metern rund um den Brutplatz: In der "reich strukturierten" und "geomorphologisch abwechslungsreichen Landschaft" Baden-Württembergs finde der Rotmilan "zumeist im näheren Umfeld seines Horstes ausreichend Nahrungshabitate".

Demnach wäre im Südwesten der Republik umso mehr Platz für Windkraftanlagen. Lars Lachmann, Vogelschutzexperte in der Bundesgeschäftsstelle des Nabu, glaubt das nicht. Nach seiner Kenntnis verhalten sich Rotmilane im Südwesten nicht wesentlich anders als ihre Artgenossen in anderen Bundesländern. Das Argument, mit dem sich Baden-Württemberg vor der Einhaltung von Mindestabständen drücken wolle, sei "fachlich kaum überzeugend".
Ein Rotmilan kommt einer Windkraftanlagen in Hessen gefährlich nahe. Anders als andere Vogelarten lässt sich der Rotmilan nicht durch die drehenden Rotoren verscheuchen
Foto: picture alliance / Frank Rumpenh Ein Rotmilan kommt einer Windkraftanlagen in Hessen gefährlich nahe. Anders als andere Vogelarten lässt sich der Rotmilan nicht durch die drehenden Rotoren verscheuchen

Denn die staatlichen Vogelwarten hätten es sich mit ihren Vorschlägen ja nicht leicht gemacht, betont Lachmann: Die Sicherheitsabstände wurden von ihnen nicht wahllos gegriffen. Vielmehr wurden in vielen Studien Vögel mit Sendern versehen, um ihren Flugradius genau zu bestimmen. Die in Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt gewonnenen Daten, die den Abstandsempfehlungen des Helgoländer Papiers zugrunde lägen, wichen nicht nennenswert von den Werten ab, die in Baden-Württemberg stichprobenartig ermittelt wurden.

Ohnehin gingen Vogelschützer bei der Bestimmung von Mindestabständen zwischen Vogelnest und Windkraftanlage nicht übereifrig vor, betont Lachmann. Denn schon das erste Helgoländer Papier aus dem Jahre 2007 hatte bei vielen Vogelarten weitaus großzügigere Mindestabstände vorgeschlagen. Nachdem man dank neuer, Telemetrie-gestützter Forschung dazugelernt habe, seien die Mindestabstände für die meisten Vogelarten im Neuen Helgoländer Papier des Jahres 2015 sogar verkleinert worden. Der Rotmilan sei der einzige Vogel, bei dem die Forschung jedoch sogar eine Vergrößerung des Schutzradius von 1000 auf 1500 Meter für nötig befunden habe.

Die Landesregierung in Stuttgart ficht das nicht an. Das Landesamt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) hält 1000 Meter für genug und begründet das in einem neuen Strategiepapier mit "zusätzlichen Schutzmaßnahmen" für den Rotmilan.

So sollen die Windkraftanlagen in der Nähe der Brutplätze künftig immer abgestellt werden, wenn die Landwirte zur Bodenbearbeitung ausrücken: Beim "Mähen, Mulchen, Pflügen, Ernten, Grubbern und Eggern" müsse der Rotor künftig stillstehen, heißt es im LUBW-Papier, denn: "Bei diesen Maßnahmen werden häufig Beutetiere aufgescheucht oder freigelegt, was zu einer verstärkten Nutzung dieser Flächen durch Rotmilane führt."

"Mastfußumgebung" soll für Vögel unattraktiv bleiben

Der Produktionsausfall während dieser Zeiten mag die Windkraftbetreiber schmerzen. Doch ist die Vergütung für Windenergie offenbar so auskömmlich, dass sich Windparks trotz Auszeiten zum Schutz des Rotmilans noch rechnen.

Geplant sind aber noch weitere Einschränkungen, für die wohl ebenfalls der Windparkbetreiber finanziell geradestehen muss. So verlangt das Land Baden-Württemberg künftig, dass die vom Rotor überstrichene "Mastfußumgebung" zuzüglich eines Puffers von 50 Metern "für Milane möglichst unattraktiv gestaltet werden soll." Das heißt konkret: Grünland darf zwischen März und August hier nicht gemäht werden: Der Rotmilan würde im kurzen Gras zu leicht Beute finden – und auf der Jagd somit den Windrotoren gefährlich nahe kommen.


Auch sollen die Bauern hier kein Sommergetreide und Mais anbauen dürfen, denn bis diese Pflanzen groß sind, wäre der Acker monatelang ein beliebter Aufenthaltsort für Rotmilane. Amtlich genehmigungsfähig sind hingegen Wintergetreide, Kartoffeln, Sonnenblumen und Erbsen, die schon so früh hochwachsen, dass der Rotmilan zwischen den Blättern keine Beute mehr findet.

"Es dürfen keine Maßnahmen durchgeführt werden, die die Attraktivität der Flächen für Rotmilane erhöhen, wie zum Beispiel extensive Ackernutzung, Anlegen von Blühstreifen, Hecken, Baumreihen und Teichen", schärft das Landesumweltamt den Bauern ein. Auch die "Lagerung von Ernterückständen, Stroh, Heu, Mist usw. ist zwischen 1. März und 31. Oktober daher nicht zulässig."

"Tötungsverbot" für gefährdete Tiere kann aufgehoben werden

Auf die abschreckende Landschaftsgestaltung allein will sich das Landesamt aber nicht verlassen. Zusätzlich sollen die Landwirte außerhalb des 1000-Meter-Radius attraktive "Ablenkflächen" einrichten, die Rotmilane mit einer "erhöhten Beutetierdichte" anlocken. Das Umweltamt schlägt hier das "Anlegen von Blüh- und Ackerrandstreifen mit kräuterreichem Saatgut" vor, wobei die Blühstreifen "eine Mindestbreite von 15 Metern nicht unterschreiten dürfen und nach Möglichkeit eine Mindestlänge von 100 Metern aufweisen sollen". Ausgefeilte Umweltbürokratie, die ihresgleichen sucht.

Wenn all diese Ausgleichsmaßnahmen zusammen angewendet werden, sollen Windkraft-Projektierer den 1000-Meter-Sicherheitskreis zum Vogelhorst auch unterschreiten dürfen. So sieht es das Regelwerk der Landesregierung vor. Das im Bundesnaturschutzgesetz verankerte "Tötungsverbot" für gefährdete Tiere kann dann von jeder Unteren Naturschutzbehörde auf Kreisebene aufgehoben werden. Leben mehr als drei Rotmilan-Paare auf einer Fläche von 34 Quadratkilometern, liegt nach amtlicher Definition jedoch ein "Dichtezentrum" vor, in dem die 1000-Meter-Grenze absolut gilt und auch mithilfe der Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr aufgeweicht werden kann.

Umweltschützer hoffen auf "Grundschutz" für Rotmilane

Für einen "hart erarbeiteten politischen Kompromiss" hält Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland das aufwendige Konzept mit seinen Abstandsregeln, Abschaltzeiten und Ausgleichsmaßnahmen, an dem auch Nabu-Experten aus Baden-Württemberg mitgewirkt hatten. Das Konzept bleibe zwar hinter den Abstandsempfehlungen des Helgoländer Papiers zurück. Es könne aber hoffentlich einen "Grundschutz" für die Rotmilane gewährleisten.

"Die Wirksamkeit des Konzepts hängt entscheidend davon ab, dass die Genehmigungsbehörden nicht zu schnell mit Ausnahmegenehmigungen zur Befreiung vom gesetzlichen Tötungsverbot zur Hand sind", sagt Lachmann. Der Vogelschützer warnt vor "Gefälligkeitsgutachten, die angeblich belegen, dass Rotmilane von ihren Horsten nie zu den geplanten Windkraftanlagen, sondern immer nur in die andere Richtung fliegen." Die Nabu-Leute vor Ort würden "die Entwicklung genau im Blick behalten".

Ohnehin sei noch nicht hinlänglich erforscht, ob die geplanten Vorschriften für die Landwirtschaft wirklich effektive Ersatzmaßnahmen für die höhere Gefährdung seien. Der Rotmilan werde sich nur dann wirkungsvoll schützen lassen, glaubt der Nabu-Experte, "wenn durch die Regionalplanung des Landes die Dichtezentren dieser Vogelart vollständig von Windkraftanlagen frei gehalten werden."

Es bringe ja nichts, Klimaschutz und Energiewende auf Kosten des Vogelschutzes voranzutreiben, sagt der Ornithologe des Naturschutzbundes: "Sonst sind schon kurzfristig die Vögel nicht mehr da, die wir langfristig vor dem Klimawandel überhaupt schützen wollten."

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Sonntag, 9. August 2015

Westfalenwind sieht Pläne vom NABU durchkreuzt

Neue Westfälische, 08.08.2015:
 
Westfalenwind sieht Pläne vom NABU durchkreuzt
 
Lichtenau. Johannes Lackmann, Geschäftsführer der Westfalenwind GmbH macht Front gegen die Aktivitäten des Naturschutzbundes (NABU) NRW und der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU) im Kreis Soest.
 
In einem Brief an Umweltminister Johannes Remmel, der sich als Festredner zum 25-jährigen Bestehen der ABU angekündigt hat, schreibt Lackmann, noch extremer als der NABU NRW stelle sich die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest ziemlich pauschal gegen tragende Bereiche der Energiewende wie die Wasserkraft, die Bioenergie aus nachwachsenden Rohstoffen und die Windenergie.
 
"Wir können nicht nachvollziehen, warum Sie als Fachminister für die Energiewende die realen Blockierer dieser Energiewende aufwerten wollen", heißt es in dem Schreiben wörtlich. Erst kürzlich, so Lackmann, habe ABU/NABU ein hervorragendes und bereits begonnenes Bürgerwindprojekt im Kreis Soest kaputtgeklagt, obwohl Fachabteilungen des Ministeriums die Planung begleitet und dem Projekt unter Artenschutzaspekten zugestimmt hätten.
 
NABU-Chef Josef Tumbrink habe dem Baudezernenten des Kreises Paderborn ferner angekündigt, in Lichtenau eine Ortsgruppe des NABU gründen zu wollen, damit es die Windenergie in Lichtenau nicht leicht habe.
 
Lackmann erinnert Remmel daran, dass Lichtenau die Stadt, ist, die er persönlich vor zwei Jahren respektvoll als Windhauptstadt in NRW erkoren habe.
 
Dem Minister rät Lackmann dringend, seine Teilnahme am ABU-Fest zu überdenken, nachdem Fundamentalopposition des NABU und andere Organisationen ist zu einem der Energiewende geworden seien.
 

Freitag, 7. August 2015

BUND verliert Gründungsmitglieder -

Ob bei uns die Anlagen auch bald so dicht stehen?


Hier können Sie sich die PlusMinus Sendung ansehen: (Auch in unserer Cloud gesichert)

 http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/windkraft-120.html