Donnerstag, 23. Januar 2020

Borchen bleiben zwei Optionen



 Von Sonja Möller

Borchen (WB). Der Borchener Bauausschuss hat sich in seiner Sitzung am 21. Januar einstimmig dafür ausgesprochen, gegen das Windkraft-Urteil des Verwaltungsgerichts Minden Berufung einzulegen. Die Mitglieder empfehlen dem Rat, die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster zu beantragen. Was das Urteil genau bedeutet und welche Handlungsoptionen die Gemeinde jetzt hat, darüber informierte Rechtsanwalt Dr. Martin Schröder von der Kanzlei Wolter und Hoppenberg.

Das VG Minden hatte wie berichtet den Kreis Paderborn dazu verpflichtet, den Bau und den Betrieb von vier Windenergieanlagen in Etteln unter der Maßgabe festgelegter Betriebseinschränkungen zu genehmigen. Der Kreis hatte dies ursprünglich abgelehnt, da die Anlagen außerhalb des gültigen Flächennutzungsplans (FNP) gebaut werden sollen und artenschutzrechtliche Belange betroffen sind.
„Kein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept“

Martin Schröder erläuterte, dass in der Urteilsbegründung weder der aktuelle FNP Borchens noch die beiden vorangegangenen Änderungen des Plans den Bauvorhaben entgegengehalten wurden. Das Gericht begründete das damit, dass „kein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegt, das den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben genügt.“

So seien Pufferzonen von 300 Metern um Siedlungsflächen mit vorwiegendem Wohncharakter und der zusätzlich angesetzte Vorsorgeabstand von 900 Metern nicht tragfähig begründet. Auch Naturschutzgebiete und Natura-2000-Gebiete seien „in nicht nachvollziehbarer Weise als harte Tabuzonen betrachtet worden, die Betrachtung des Waldes als weiche Tabuzone nicht nachvollziehbar und das Kriterium Mindestgröße in sich nicht stimmig“. Martin Schröder: „Ob die harten und weichen Tabuzonen fehlerfrei ermittelt wurden und die Auswahl unter den ermittelten Potenzialflächen den Anforderungen genügt, lässt das Gericht offen. Ebenso die Frage, ob der Windkraft im Gemeindegebiet substanziell Raum gegeben wurde.“

Zudem sei die 8. und 23. FNP-Änderung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden und beide Fassungen würden beachtliche Abwägungsmängel aufweisen.
Artenschutzrechtliche Verbotstatbestände lässt die Kammer nicht zu

Artenschutzrechtliche Verbotstatbestände lässt die Kammer nicht zu, da der Betriebsumfang für die kritische Zeit der Brut des Rotmilans auf die Hellphase beschränkt sei und dem Brutplatz des Baumfalken durch die Ausdehnung des Betriebs auf die Hellphase bis zum 15. September Rechnung getragen werde.

Martin Schröder informierte über mögliche Handlungsoptionen: „Das Urteil des VG Minden ist ein erstinstanzliches Urteil. Alle Verfahrensbeteiligten können einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG Münster stellen. Hierfür gibt es eine Frist bis zum 3. Februar.“ Zuständig sei der 8. Senat des OVG, der aber als einzige Kammer für ganz Nordrhein-Westfalen für den immissionsschutzrechtlichen Bereich zuständig sei. Deswegen könne die Entscheidung, ob die Berufung Borchens zugelassen werde, zwei bis drei Jahre dauern.
Gemeinde kann Mängel im Flächennutzungsplan beseitigen

Als zweite Option kann die Gemeinde laut Schröder die Mängel im FNP beseitigen. Dafür müsse das Aufstellungsverfahren aber dort wieder aufgenommen werden, wo die Fehler passiert sind. „Da es sich um Abwägungsfehler handelt, ist das ein relativ früher Zeitpunkt in der Planung“, erläuterte Schröder: „Ein Heilungsverfahren ist kein Schuldeingeständnis. Es kann auch vorsorglich durchgeführt werden, um Zweifel zu zerstreuen.“ Am Ende stehe ein rechtsgültiger Plan.

Die Ausschussmitglieder wollten wissen, was für Kosten eine Berufung nach sich ziehe und ob Schadenersatzforderungen für die Gemeinde fällig werden könnten. Martin Schröder erläuterte, dass es bei dieser Art des Rechtswegs keine Regressforderungen von den Betreibern gebe: „Die Gemeinde handelt nicht als Behörde, sondern ist nur Prozessbeteiligte.“ Die Kosten vor dem OVG würden sich prozentual zur Herstellungssumme berechnen.
„Muss das Verfahren nicht nach hinten geschoben werden?“

Heinrich Rebbe (CDU) wies darauf hin, dass am 29. Januar das nächste Verfahren anstehe, bei dem es um Windradstandorte außerhalb der Konzentrationszone gehe: „Muss das Verfahren nicht nach hinten geschoben werden?“ Dies verneinte Schröder. Er rechne damit, dass das Urteil ähnlich ausfalle: „Dass das Gericht seine Meinung ändert, glaube ich nicht. Vermutlich fährt der Kreis auch eine einheitliche Linie.“ Der Kreis hat wie berichtet den Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG Münster gestellt, um zu klären, wie verhältnismäßig Teilzeitgenehmigungen für Windräder sind.

Heinrich Rebbe merkte an, dass der Planer Ahn alle Urteile aufgenommen habe: „Ich kann nicht nachvollziehen, dass man keinen rechtsgültigen Plan hinbekommt.“

Johannes Niggemeyer (SPD) sagte: „In der Begründung werden Abwägungsmängel aufgeführt. Das Gericht gibt keine Liste vor. Mir erschließt sich nicht, wie man das anpacken soll.“

Dem stimmte Schröder zu: „Das geht auch mir so. Wenn wir die Urteile bekommen, warum ein Flächennutzungsplan nicht gilt, sind das schwere Brocken. Als die Windenergie privilegiert wurde, hat der Gesetzgeber die Planungshoheit über den FNP zurück an die Gemeinden gegeben. Wenn dann aber die Anforderungen so hoch sind, dass man sie nicht erfüllen kann, fällt das schwer.“

Quelle: WV 23.1.2020

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