Montag, 27. Juli 2015

Wind wird teuer für Stromkunden

Capital, Wirtschaft ist Gesellschaft

Wind wird teuer für Stromkunden

22. Jul 2015, Thomas Steinmann
 
Auch nicht erzeugter Strom kostet Geld: Für die Zwangsabschaltung von Windrädern bei überlasteten Netzen zahlten die Stromkunden 2014 mehr als 100 Mio. Euro. In diesem Jahr wird es sogar noch mehr sein
Die Stromverbraucher haben 2014 so viel für die Zwangsabschaltung von Windrädern bezahlt wie noch nie. Nach Recherchen von Capital übertrafen die Entschädigungen an die Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen die Grenze von 100 Mio. Euro – nach 43,7 Mio. Euro im Jahr 2013. Allein die Übertragungsnetzbetreiber Tennet und 50Hertz, in deren Versorgungsgebiet im Norden und Osten des Landes der weitaus größte Teil der deutschen Windkraftleistung installiert ist, zahlten zusammen rund 80 Mio. Euro für nicht ins Netz eingespeisten Strom. Hinzu kommt ein zweistelliger Millionenbetrag bei den mehreren Hundert Betreibern der örtlichen Verteilnetze, an die die große Mehrheit der Anlagen angeschlossen ist.
 
Die sprunghaft steigenden Kosten für die Abregelung von Windrädern sind eine Folge des rasanten Ausbaus der regenerativen Energien. „Die Erneuerbaren drücken ins Stromnetz, und es gibt immer mehr Netzengpässe, die wir nur entlasten können, indem wir sogar Windkraftanlagen abregeln“, sagte Tennet-Chef Urban Keussen. Wegen des Einspeisevorrangs für Grünstrom haben die Eigentümer der Erneuerbaren-Anlagen seit einigen Jahren Anspruch auf Entschädigung. Die Kosten werden über die Netzentgelte finanziert, ebenso wie die Kosten für Eingriffe der Netzbetreiber in die Fahrweise konventioneller Kraftwerke. Am Ende bezahlen die Verbraucher auch für nicht erzeugten Strom.

Stürme führten zu Einspeiserekorden

In etwa neun von zehn Fällen handelt es sich bei den abgeregelten Anlagen um Windräder. Der Rest entfällt auf Biogas- und Fotovoltaikanlagen. Die Engpässe, die ein Eingreifen erforderlich machen, können sowohl auf der Ebene der Übertragungsnetze – der großen Stromautobahnen – auftreten als auch auf der darunter liegenden Ebene der Verteilnetze, in die die meisten Erneuerbaren-Anlagen einspeisen.
 
Auch für dieses Jahr erwarten die Netzbetreiber eine weitere drastische Zunahme der Eingriffe. Allein bei Tennet würden die Kosten voraussichtlich 150 Mio. Euro erreichen, sagte Keussen Capital. Das ist fast eine Verdreifachung gegenüber dem Rekordwert von 2014, der bei 55 Mio. Euro lag. Tennet betreibt unter anderem die Stromautobahnen in Schleswig-Holstein, wo besonders viele Windparks ins Netz einspeisen – zunehmend auch vor den Küsten. Mittlerweile deckt Windenergie als wichtigste Ökostrom-Quelle rund neun Prozent des deutschen Strombedarfs. Mehrere Stürme haben im vergangenen Winter zu neuen Einspeiserekorden geführt – aber auch zu neuen Höchstwerten bei Zwangsabschaltungen.
 
Tennet-Geschäftsführer Keussen rechnet damit, dass seine Netzmanager in diesem Jahr mehr als 1000 Gigawattstunden Windstrom abregeln müssen. Das entspricht etwa einem Zehntel der Elektrizität, die ein mittelgroßes Atomkraftwerk in einem Jahr erzeugt. Auch 50Hertz erwartet für seine Regelzone in Ostdeutschland einen weiteren Zuwachs an verschenktem Strom.
 
Entlastung versprechen sich die Betreiber von Netzausbau-Plänen, die Bund und Länder im Zuge der Energiewende beschlossen haben. „Wir brauchen dringend neue Stromverbindungen von Nord nach Süd, um den Windstrom aus Norddeutschland abzutransportieren“, sagte Keussen. Dabei spiele die Südlink-Trasse von Schleswig-Holstein nach Bayern eine wichtige Rolle. Um die Leitung hatte es monatelangen Streit zwischen Bayern und dem Bund gegeben. Inzwischen hat die bayerische Landesregierung ihren Widerstand gegen die Trasse zwar aufgegeben. Wichtige Fragen sind allerdings noch offen.
 
 

Freitag, 3. Juli 2015

Vorreiterrolle in der Region

Umweltministerium bei der Klausurtagung zum Thema Windenergie
 Ein Bericht mit Fotos von Christiane Heiligers

Bredelar. Weil sich Bürger bei abgeschlossenen Planungen im Bereich der Windkraft übergangen fühlten, gab es jetzt ein Forum, bei dem viele offene Fragen beantwortet, auf Ängste eingegangen und die Form der Bürgerbeteiligung sachlich überprüft werden sollte. Dazu veranstaltete das Umweltministerium NRW vergangenen Freitag im Kloster Bredelar eine erstmalige und richtungsweisende Klausurtagung, zu der es auf Initiative des Regionalbündnisses Windvernunft kam.





Eingeladen waren die zusammengeschlossenen Bürgerinitiativen der Kreise Lippe, Paderborn, Soest und dem Hochsauerlandkreis. Fachleute beantworteten Fragen zur Beteiligung und Genehmigung und standen aufgeteilt in drei Fachgruppen zu den Themen Schallemissionen, Artenschutz und Ausweisungssystematik von Konzentrationszonen zur Verfügung.

Stefan Leuchten von der EnergieAgentur.NRW sah eine wichtige Voraussetzung in einem gemeinschaftlichen Dialog und der Zusammenarbeit aller Beteiligten. Er wies darauf hin, dass es bei der Tagung darum gehe, Fachthemen unabhängig von einem bestimmten Projekt zu diskutieren. Dass sich nun das Land mit den Bürgern an einen Tisch setzte, während die mittleren Verwaltungsebenen (im Kreis und den Kommunen) außen vor sind, hatte einen Grund. Während vor Ort die Fronten oft verhärtet und emotionsgeladen sind, sollte hier der sachliche Austausch im Vordergrund stehen. „Der Regionalplan Energie der Bezirksregierung Arnsberg hat massiven Schaden angerichtet und zun einem Vertrauensverlust geführt“, erläuterte Hubertus Nolte vom Regionalbündnis Windvernunft.

Auch Monika Agatz vom Ministerium für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz hielt den Austausch der Beteiligten für sehr wichtig, aber auch das Sammeln vieler Ideen und Anregungen.

Neben den Experten steht mit Dr. Andre Unland ein Rechtsexperte zur Verfügung, der sich bereits mit zahlreichen Planungsverfahren in der Region auseinandersetzte und sowohl Kommunen als auch Bürgerinitiativen berät. Er hielt bei einen strukturierten Vortrag über Planungs-, Genehmigungs- und Überwachungsverfahren. Unter anderem informierte er die Teilnehmer über frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit, Fristen bei Bürgerbegehren, Normenkontrolle, Immissionsschutzrechtliche Genehmigungen und weitere Überwachungen solcher Anlagen.

Danach hielt Prof. Dr. Hans J. Lietzmann von der „Bergischen Universität Wuppertal“ eine Ansprache zur Mitbestimmung von Bürgern und zeigte ihnen Möglichkeiten und Risiken auf. Er stellte heraus, dass nur Rechte von Eigentümern und Immissionsbetroffenen geschützt werden, dass es sich dabei aber nicht um Gestaltungsrechte, sondern lediglich um Verhinderungsrechte handele. Weiterhin sprach er die Verfahren an, wie sich Bürger an Windkraftanlagen beteiligen können.

In der Diskussion der 40 Teilnehmer war der Unmut deutlich zu spüren. Einige waren der Meinung, dass Bürgerversammlungen als lächerlich abgetan und alle Begehren abgeschmettert würden. Weiterhin wurde die kommunale Beteiligung bemängelt und dass vor einer Information der Bevölkerung bereits an die 80 Prozent der Planungen abgeschlossen seien.                        
Weitere Vorwürfe lauteten, die Standortsuche gehe nach freiem Platz, nicht nach dem Landschaftsschutz und dass die Gemeinden unterschiedlich behandelt würden, was den Abstand zu solchen Anlagen angeht.






Zusammenfassend erklärte Unland, man müsse den Leuten klarmachen, wo Ablehnungsspielräume seien und gab den Tipp: „Schärfen Sie Ihre Argumente. Lieber ein paar weniger und dafür auf den Punkt.“