Samstag, 18. April 2015

Offshore: Ausbauziel 2030 schon jetzt erreicht!!!

Bittere Pille für die Offshore-Windbranche

 
Zahlreiche Entwickler von Offshore-Windparks haben nach Informationen von NDR Info im vergangenen Monat unangenehme Behördenpost erhalten. In den kommenden Jahren werden küstenferne Windpark-Projekte demnach wohl nicht mehr genehmigt. Auch zahlreichen bereits lange geplanten Projekten droht das Aus, wie aus dem Schreiben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hervorgeht. Grund dafür ist die jüngste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).
Jens Assheuer ist die Enttäuschung anzumerken. Als Geschäftsführer der Firma WindMW betreut er seit Jahren das Windpark-Projekt "Nördlicher Grund". 80 Kilometer vor Sylt sollen bald 64 Windräder Strom liefern. Alle Genehmigungen liegen vor, sogar die Verträge über die Lieferung der Turbinen und die Installation der Anlage sind bereits unterzeichnet. "Da ist sicherlich viel Arbeit reingeflossen und viel Herzblut", sagte Assheuer. Insofern sei es für die Mitarbeiter schmerzhaft, wenn man jetzt sehe, dass das Projekt nicht umgesetzt wird. Und auch die Investoren seien alles andere als glücklich mit der Situation: "Wir reden immerhin über einen zweistelligen Millionenbetrag, der bereits investiert wurde."

Offshore-Deckel macht der Branche zu schaffen

Vielen Offshore-Projekten droht das Aus

Zahlreiche Entwickler von küstenfernen Offshore-Windparks haben unangenehme Behördenpost erhalten. Dutzende Windpark-Projekte haben keine Chance auf einen Netzanschluss.
Das Problem: Die Bundesnetzagentur wird den Park in den kommenden 15 Jahren wohl nicht ans Netz anschließen. Verantwortlich dafür ist die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Im vergangenen Sommer hat die Bundesregierung beschlossen, den Ausbau der Offshore-Windkraft massiv zu deckeln. Bis 2020 sollen nicht mehr zehn, sondern nur noch 6,5 Gigawatt Leistung offshore gebaut werden. Das entspricht etwa der Leistung von sechs Atomkraftwerken. Bis 2030 sollen dann 15 Gigawatt installiert sein. Auf diese Weise will Berlin verhindern, dass die Strompreise weiter steigen.
Projekte müssen sich seither daran messen lassen, wie weit sie von der Küste entfernt liegen. Zudem muss gewährleistet sein, dass sich Windparks sinnvoll an eine Stromsammelstation, einen sogenannten Konverter anschließen lassen. Der Konverter, der am "Nördlichen Grund" liegt, ist bereits ausgelastet. Eine weitere Station wird nicht gebaut. Das Projekt droht deshalb zu scheitern.

Küstenferne Windparks werden nicht mehr genehmigt

WindMW-Geschäftsführer Assheuer ist in seiner Branche nicht der Einzige, der derzeit kräftig schlucken muss. Im März hat das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Post an Dutzende Windpark-Entwickler verschickt. In dem Schreiben, das NDR Info vorliegt, informiert das BSH darüber, dass die Projekte in den sogenannten Zonen 3, 4, und 5 bis auf Weiteres auf Eis liegen. Es handelt sich dabei um etwa 40 geplante Parks, die in der Regel mehr als 100 Kilometer von der Küste entfernt liegen.
Für sie werde bis auf Weiteres kein Planfeststellungsverfahren durchgeführt, insbesondere sollen keine Antragskonferenzen und Erörterungstermine durchgeführt werden. Eine "kostenpflichtige ablehnende Entscheidung in laufenden Verfahren" behält sich das BSH ausdrücklich vor. Obwohl diese Projekte, die unterschiedlichen Trägern gehören, bislang noch nicht so weit entwickelt sind wie etwa Assheuers "Nördlicher Grund", dürften bis heute mehr als 100 Millionen Euro investiert worden sein.

Dutzenden Projekten droht das Aus

Die Rechnung des BSH und der Bundesnetzagentur ist dabei relativ einfach: Noch in diesem Jahr werden auf Nord- und Ostsee wohl insgesamt drei Gigawatt Leistung installiert sein. Nimmt man die küstennahen Projekte in Nord- und Ostsee und im Küstenmeer zusammen, lässt sich die politische Vorgabe von 15 Gigawatt bis zum Jahr 2030 bereits jetzt erreichen. Dass Offshore-Windparks weit draußen in der Nordsee jemals umgesetzt werden, erscheint daher kaum noch wahrscheinlich. "Bei sehr großer Küstenentfernung wird man auch mit Blick auf die volkswirtschaftlichen Kosten der Netzanbindung sagen müssen, dass diese Projekte nach jetziger Sicht energiewirtschaftlich nicht wünschenswert sind", erklärt Nico Nolte vom BSH.
Den Projekten, die in den Zonen 3, 4 und 5 liegen, droht somit faktisch das Aus. Inwiefern Unternehmer Windpark-Projekte nun unter Umständen ganz aufgeben werden, ist unklar. Es sei jetzt an den Antragstellern zu überlegen, wie sie mit der veränderten Situation umgehen wollen, so Nolte.  

Branche will Druck auf Politik machen

Bislang reagierte die Offshore-Branche abwartend auf die EEG-Novelle und die Ankündigung des BSH. Doch das könnte sich jetzt ändern. Ursula Prall vom Offshore Forum Windenergie will den zuständigen Behörden und vor allem dem Ministerium für Wirtschaft und Energie die Nachteile der Offshore-Deckelung deutlich machen. "Das hat ja auch für die Zulieferer-Industrie ganz enorme Konsequenzen", sagt Prall. Es bleibe auch deshalb zu hoffen, dass die politische Deckelung in den kommenden Jahren noch einmal überdacht wird.
Das wird aber wohl nur gelingen, wenn Strom aus Offshore-Windkraft künftig deutlich billiger wird. Nach Informationen von NDR Info denken einige Unternehmen auch darüber nach, im Einzelfall gegen einen negativen Bescheid des BSH zu klagen. Ob sich auf diesem Weg eine Genehmigung für Windparks juristisch erzwingen lässt, steht allerdings in den Sternen.
Assheuer und sein Unternehmen Wind MW wollen indes am Windpark "Nördlicher Grund" festhalten. Sie hoffen darauf, dass es in einigen Jahren doch noch einen Netzanschluss erhalten wird. Gleichwohl schaut sich der Diplomingenieur bereits jetzt nach einem neuen Windpark-Projekt um. Es soll küstennah liegen und bereits über die Zusage einer Netzanbindung verfügen. Sicher ist sicher.
 
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